Internetportal zeigt Orte der Begegnung mit jüdischem Leben

Viele Menschen in Deutschland wissen immer noch wenig über das Judentum. Ein neues Internet-Angebot in Niedersachsen zeigt jetzt Wege, wie sich jüdische und nichtjüdische Bürgerinnen und Bürger begegnen und austauschen können.

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Hannover. Repräsentanten aus Kirchen und jüdischen Gemeinden in Niedersachsen haben am Donnerstag in Hannover das neue Internet-Angebot „Orte der Begegnung mit jüdischem Leben“ vorgestellt. Es soll Lehrkräfte aus Schule und Erwachsenenbildung sowie Pastorinnen und Pastoren dabei unterstützen, die direkte Begegnung mit Jüdinnen und Juden zu suchen, wie die Initiatoren erläuterten. Eine interaktive Landkarte führt dafür 53 Orte in Niedersachsen und benachbarten Regionen auf. Dazu gehören zahlreiche jüdische Gemeinden und Synagogen, aber auch Vereine und Bildungszentren.

„Das Judentum gehört zur DNA unserer Gesellschaft“, betonte der katholische Bischof Heiner Wilmer aus Hildesheim bei der Präsentation. „Ohne Judentum wäre es so, als würden wir aus dem Herzen unserer Gesellschaft etwas herausreißen.“ Die Beiträge von Jüdinnen und Juden in Medizin, Physik oder Philosophie seien zentral für die Entwicklung Europas. Die Werte der Französischen Revolution und die Tradition der Aufklärung seien ohne die jüdische Tradition des Wortes, der Schärfe der Gedanken und des besseren Arguments nicht denkbar.

Die evangelisch-reformierte Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden aus Leer sagte: „Wir entdecken zunehmend, was für einen reichen Schatz wir mit jüdischer Bibelauslegung haben.“ Ihr persönlich sei wichtig, Jesus als Juden neu verstehen zu lernen.

Für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen betonte der Vorsitzende Michael Fürst, es sei zu wenig, nur aus Büchern lernen zu wollen. „Nur wenn man miteinander spricht, lernt man“, sagte er. „Wer nicht mit anderen spricht, kann nicht lernen.“ Deshalb wolle das neue Portal zur persönlichen Begegnung ermutigen.

Der niedersächsische Antisemitismusbeauftragte Gerhard Wegner sagte, wer sich heute mit dem Holocaust beschäftige, der müsse auch die Hintergründe begreifen, die damals dazu geführt hätten. Die heutigen politischen Konstellationen erinnerten in manchen Punkten an das, was vor 1933 in Deutschland geschehen sei. „Etwas von diesem Geist spürt man heute wieder.“ Zur Geschichte des Holocaust gehöre auch der jüdische Widerstand gegen die Nazis, unterstrich Wegner unter anderem mit Blick auf das Warschauer Getto, wo sich jüdische Kämpfer 1943 gegen die Besatzer zur Wehr gesetzt hatten.

Das Internet-Angebot ist Teil des Portals „Jüdisches Niedersachsen online“. Zu jedem der 53 Orte gibt es Kontaktadressen sowie Hinweise zu Öffnungszeiten und möglichen Kosten, zu einigen auch Informationen zum geschichtlichen Hintergrund. Viele Menschen wüssten wenig über jüdisches Leben heute, sagte Professorin Ursula Rudnick, evangelische Referentin für Kirche und Judentum in Hannover: „Diese Unkenntnis macht anfällig für Vorurteile und antisemitische Denkmuster.“

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epd Niedersachsen-Bremen